Joy of use - an important competitive advantage
Was ist Joy of Use?
Kurz zusammengefasst bedeutet Joy of Use positive Gefühle beim Nutzen eines Produkts zu empfinden. Im Unterschied zu Usability (Benutzerfreundlichkeit) geht Joy of Use über die Funktionalität von Anwendungen hinaus. Aber nicht nur die User erleben durch Joy of Use Elemente positive Emotionen. Auch die Entwicklung der Anwendungen macht meist mehr Spaß – das können wir aus eigener Erfahrung bestätigen. Eine wirklich schöne und gleichzeitig gewinnbringende Win-win-Situation für Nutzende und Entwickelnde also.
Warum ist Joy of Use so wichtig?
Diese Frage lässt sich sich ganz einfach mit einer Gegenfrage beantworten: Was passiert, wenn Personen keine Freude oder gar Abscheu bei der Interaktion mit einer Anwendung empfinden? Sie werden sie wenn möglich meiden. Jedoch ist das Ziel meistens, viele Nutzende zu gewinnen und zu halten. Im besten Fall verwenden Nutzende dein Produkt also gerne, regelmäßig und lange. Dadurch bleibt es zudem besser im Gedächtnis und wird auch häufiger weiterempfohlen.
Wie erreichst du Joy of Use?
Joy of Use ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Vor allem spielen dein Produkt selbst und die Nutzergruppe eine zentrale Rolle. Was bei einigen Nutzergruppen positive Emotionen auslöst, kann bei anderen hingegen floppen. Deswegen ist auch hier eine gründliche User Research wichtig, um Insights zu gewinnen und die Pain Points herauszufinden.
Grundsätzlich gilt: Für Joy of Use stehen vor dem visuellen Design die funktionalen und inhaltlichen Aspekte im Mittelpunkt. Denn eine „schöne“ Website allein führt nicht zum Joy of Use. Inhalte und Bedienung müssen auf die Nutzerbedürfnisse abgestimmt sein. Um das zu erreichen, braucht es ein motiviertes Team aus Expert:innen.
Allgemeingültige Aussagen können also nur sehr schwer getroffen werden. Im Hinterkopf solltest du aber Folgendes haben:
- Richte dein Produkt nach den Nutzerbedürfnissen aus – dabei kann dir eine gute User Research helfen
- Gestalte deine Anwendung möglichst intuitiv, leicht verständlich und übersichtlich
- Belohne und bestätige den Nutzenden durch Erfolgsmeldungen und erkläre Fehler oder Probleme so, dass jede:r sie versteht
- Bringe ein bisschen Humor und kleine Überraschungsmomente mit ein
- Nutze Micro Interactions (kleine Animationen), um deine Anwendung lebendiger und intuitiver wirken zu lassen. Ein Beispiel, wie unser Kunde fillibri das umgesetzt hat, findest du unter fillibri.com. Das sich bewegende Smartphone beim Scrollen auf der Desktop-Website macht das Erscheinungsbild dynamischer und steht gleichzeitig für die kinderleichte Bedienung der App:
Joy of Use Beispiele – die Headspace App
Damit du ein tiegreiferendes Gefühl dafür bekommst, wie in Anwendungen Joy of Use umgesetzt bzw. erreicht wird, schauen wir uns Headspace als Praxisbeispiel genauer an. Headspace ist eine Meditations-App, aber nicht irgendeine. Sie wurde bereits millionenfach heruntergeladen. Im App Store wird sie mit 4.8 und im Play Store mit 4.2 von 5 Sternen bewertet. Ein Grund für die positiven Bewertungen sind unserer meiner Meinung nach auch der Joy of Use, den die Anwendung bei den Nutzenden auslöst.
Frank Bach, Lead Product Designer bei Headspace, hat auf der uxcon 2021 in Wien verraten, wie aus seiner Sicht Joy of Use erreicht wird und wie der Headspace Way funktioniert.
Insgesamt hat er sieben Segmente ausgemacht, die einen entscheidenden Einfluss auf die Joy of Use haben:
Design:
Fange früh an, ein Design-System zu erstellen, um ein Gefühl für das richtige Design für deine Anwendung zu gewinnen. Noch nicht alles kann in einem frühen Stadium festgelegt werden. Aber einige Elemente können auch schon zu Beginn visuell ansprechend gestaltet werden, wie Formen, Schrift oder Icons, so Frank.
Copy:
Gute Formulierungen, besonders an Stellen, wo sie nicht erwartet werden, weil sie häufig kahl sind oder leer bleiben, bilden den zweiten Baustein, um Joy of Use zu erreichen. Hier liegen viele Low Hanging Fruits (einfach zu erledigende Aufgaben) aus Franks Sicht. Ein gutes Beispiel dafür sind die Texte auf 404-Fehler-Seiten:
Illustration:
Spielerische Illustrationen dominieren bei Headspace. Illustrationen, die nur dazu führen sollen, die Nutzenden zum Kauf zu verleiten, stehen weniger im Vordergrund. Auch hier steht im Fokus, empty und error States zu füllen. Es geht also darum, auch dort mit Liebe zum Detail zu arbeiten, wo Nutzende sich aus Versehen hin verirren, grundsätzlich wenig unterwegs sind und auch dort, wo sie die Anwendung verlassen. Frank empfiehlt beispielsweise genauso viel Liebe in die exit Ramp zu stecken wie in die Frontpage.
Motion:
Überlege, wo du Motion Graphics (animierte grafische Elemente) einsetzen kannst. Es müssen dabei nicht immer die großen Ideen umgesetzt werden, auch schon kleinere animierte Elemente können begeistern. Der Einsatz von individuellen Animationen ist natürlich auch eine Kosten- und Zeitfrage. Dennoch zeigen sie, dass auch kleine Ideen eine große Wirkung entfalten können, wie beispielsweise der unrunde Headspace Play-Button, der sich mantraartig bewegt. Das passt natürlich perfekt zu einer Mediation App. Überlege also, was der bewegende Play-Button für deine App sein könnte.
Einen weiteren wichtigen Insight gibt Frank in Bezug zum Einsatz von Motion Graphics zudem: Er empfiehlt sie dort einzusetzen, wo Nutzende häufig Verständnisprobleme haben als Unterstützung zum Text.
Sound:
Der Einsatz von akustischen Elementen sieht er als fortgeschrittene Methode. Sie sollte also – je nach Zweck der Anwendung – nicht an erster Stelle stehen, kann aber gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Joy of Use leisten. Hier gilt es also genau zu überlegen, ob der Einsatz Sinn macht.
Touch:
Haptisches Feedback wird aus Franks Sicht immer wichtiger und erleichtert gerade bei Apps und mobil genutzten Anwendungen die Bedienung erheblich. Auch könne es sich auszahlen, Erweiterungen für Smartwatches oder andere Endgeräte anzubieten.
Beyond:
Beyond ist der Begriff, der auf den ersten Blick nicht in die Liste passt. Frank meint damit allerdings, “outside the app” zu denken. Im Marketingsprech würde man wohl sagen, die ganze Customer Journey im Blick zu haben und sie nicht auf die App / Anwendung zu reduzieren. Als Verantwortliche solltet ihr also den Nutzenden auch außerhalb der Anwendung helfen, ihre Ziele, die sie mit der Produktnutzung erreichen wollen, zu unterstützen. Headspace hat beispielsweise Sticker entworfen, die sich die User an wichtigen Stellen in der Wohnung kleben können, um ihre Mediation nicht zu vergessen.
Fazit Joy of Use von Frank Bach:
Joy of Use setzt sich nach Frank Bach aus mehreren Komponenten zusammen: Design, Copy, Illustration, Motion, Sound, Touch und Beyond. Wichtig ist, nicht nur die viel besuchten Bereiche wie die Frontpage im Blick zu haben. Auch dead Ends und empty States sollten mit Hingabe betrachtet werden. Darüber hinaus ist der Blick über den Tellerrand wichtig: Maßgeblich ist nicht, lediglich eine großartige App zu entwickeln. Vielmehr soll ein ganzes Ökosystem geschaffen werden, das die User bei dem Erreichen ihrer Ziele unterstützt.
Wie messe ich Joy of Use?
Wie erfährst du, ob du tatsächlich positive Emotionen auslöst oder ob du an einigen Stellen noch nachschärfen musst? Die einfachste Messmethode ist die naheliegendste und stammt ebenfalls von Frank: Zähle bei einem User Test wie häufig die Nutzenden gelächelt haben.
Aber auch andere Verfahren können dir Aufschluss geben:
- Messe die Nutzungsdauer und stelle sie den Angaben der Nutzenden über ihre gefühlte Nutzungsdauer gegenüber. Eine niedrigere gefühlte Nutzungsdauer als die tatsächliche sind ein guter Schritt in Richtung Joy of Use
- Nutze Fragebögen oder Tiefeninterviews, um zu erfahren, ob dein Produkt positive Reaktionen auslöst. Ermittle in diesem Zusammenhang unbedingt auch die Weiterempfehlungsquote
- Eye-Tracking und Heat-Maps geben dir Aufschluss darüber, ob sich Nutzende gut zurechtfinden und ob die wichtigsten Elemente die gewünschte Aufmerksamkeit erregen