About earthly technology and the Internet from space
Der folgende Artikel beschreibt unsere Leidensgeschichte mit Internetdienstleistern und warum wir zu Starlink gewechselt sind. Einen technischen Erfahrungsbericht mit Starlink und Details dazu, wie wir Starlink in unser Firmennetzwerk eingebunden haben, gibt es hier:
Technischer Erfahrungsbericht für Nerds
Und wieder ohne Internet...
Eigentlich war es ein ganz normaler Dienstag, der 23. Februar 2021. Unser Monitoring hat wie so häufig in den letzten zwei Jahren einen Ausfall unseres Büro-Internets gemeldet. Der Vodafone Speedtest bestätigt, dass wir kein nutzbares Internet mehr haben und ich sitze nach 10 Minuten Warteschleifenmusik immer noch mit dem Handy in der Hand in der Vodafone Geschäftskunden-Hotline. Aber etwas sollte sich an diesem Tag ändern, als eine Nachricht von unserem Geschäftsführer Julian in meiner Slack-App erscheint:
"Elon [Musk] muss uns einfach retten! 🦄"
— Julian Schneider
Zuverlässiges Internet ist für unsere Firma, wie für viele andere, essenziell wichtig. Wir bei Zweitag sind rund 40 Expert:innen für Design, Produkt- und Software-Architektur, Entwicklung und Infrastruktur. Gemeinsam planen, entwerfen und realisieren wir Web-Anwendungen, mobile Apps und Cloud- bzw. Infrastrukturlösungen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass so gut wie jede Tätigkeit von zuverlässigem Internet und genügend Bandbreite abhängig ist. Und auch wenn derzeit Corona-bedingt viele von uns im Homeoffice arbeiten, nutzen mehrere unserer Mitarbeiter:innen weiterhin (Einzel-)Büros als Arbeitsmöglichkeit.
Seit nun über zwei Jahren plagen uns Internetausfälle und reduzierte Datenraten auf unserem Vodafone Kabelanschluss, teilweise wöchentlich, teilweise täglich. Die Ursachen scheinen laut Vodafone vielfältig: das angeschlossene Modem läuft nicht mehr in Sync (eher ein Symptom als eine Ursache), auf Seiten Vodafone gab es eine mittlerweile behobene Störung, an der Haustechnik muss etwas defekt sein etc. Die Folgen davon: mehrere Besuche der Techniker (die bescheinigen, dass die Hausanlage in Ordnung ist), zwei neue Modems und etliche Stunden Frust mit dem Vodafone Support.
Keine Alternativen für zuverlässiges Internet
Warum also nicht einfach zu einem anderen Anbieter wechseln? Wir haben derzeit bereits einen weiteren Vertrag mit der Telekom, die 50 Mbit/s Download und 10 Mbit/s Upload bereitstellen kann. Das ist leider aber auch die maximale Datenrate, die über unseren Anschluss möglich ist. Nicht schlecht als Fallback, allerdings auch kein ausreichender Ersatz für ein Büro mit 40 Personen zu Spitzenzeiten. Glasfaser ist natürlich ebenfalls eine Option. Mit Erschließungsgebühren ab 2.500€, einer Wartezeit von 14-36 Wochen und monatlichen Gebühren ab 1.500€ sind die Kosten allerdings deutlich höher als vergleichbare Internetangebote. Also keine attraktive Alternative in Sicht… oder?
Die Nachricht, die ich an diesem Dienstag von unserem Geschäftsführer erhalte, hat ebenfalls einen Screenshot angehängt:
Starlink, zugehörig zu dem von Elon Musk gegründeten Raumfahrtunternehmen Unternehmen SpaceX, bietet derzeit Satelliteninternet im Beta-Test. Laut SpaceX können derzeit 50Mbit/s bis 150Mbit/s und ein Ping von 20-40ms erwartet werden - ein Ping übrigens, der bisher bei Satelliteninternet nicht für möglich gehalten wurde und daher bei ländlichen Ausbauprojekten nicht für Förderung in Betracht gezogen wurde:
"We remain skeptical that the altitude of a satellite's orbit is the sole determinant of a satellite applicant's ability to meet the Commission's low-latency performance requirements."
— FCC
Aufgrund der angegebenen unteren Übertragungsrate und der derzeit noch regelmäßigen systembedingten Versorgungsunterbrechungen, eignet sich Starlink bisher noch nicht, um unseren primären Uplink (Vodafone) vollständig zu ersetzen. Aber bei vielem, an dem Elon Musk arbeitet, sollte man hier das Bigger-Picture sehen. Denn SpaceX startet gerade erst mit Starlink und baut die Anzahl der Satelliten massiv aus, was zu noch besseren Übertragungsraten und weniger Unterbrechungen führen sollte. Und mal ganz ehrlich: wie cool ist es, Internet aus dem All zu nutzen – besonders für einen Star-Trek-Fan und Computer-Nerd wie mich/uns.
Starlink Hardware
Genau einen Monat später ist es soweit. Anscheinend als einer der ersten in Deutschland erhalten wir das Starlink-Kit, bestehend aus Satellitenschüssel (oder von Starlink in offiziellen Dokumenten auch liebevoll Dishy McFlatface genannt), einem Router und entsprechenden Kabeln und einem Mount.
Das Starlink-Kit kommt bereits vollständig verkabelt an, so dass man lediglich die Komponenten aus der Box nehmen und aufstellen muss.
Die eigentliche Herrausforderung für uns ist der Aufstellort. Die Antenne benötigt ein 100° Sichtfeld ohne Hindernisse in Richtung Himmel. Das haben wir nur an einem Ort in unserem Büro erhalten: auf der Terasse eine Etage höher. Dementsprechend haben wir entwas improvisiert, um das Signal über das 30m festverlötete Kabel in unser Büro eine Etage niedriger zu bekommen.
Die erste Einrichtung ist schnell erledigt. Wir laden uns die Starlink App, suchen uns eine geeignete Position und folgen den wenigen Schritten, um den mitgelieferten Router einzurichten.
Die Antenne selbst ist bereits konfiguriert, so dass man hier im Prinzip nur einen Namen und ein Passwort für das WLAN-Netz vergibt. Dabei gelingt SpaceX das, was die großen Konzerne immer noch nicht komfortabel hinbekommen: ein Anschluss ohne Techniker:in-Termin, ohne Schalttermin, ohne Zugangsdaten per Post.
Der Betrieb von Starlink ist darüber hinaus auch ohne den mitgelieferten Router bzw. mit eigenem Router möglich. So lässt sich Starlink gut in bereits bestehende Netzwerke, wie bei uns mit UniFi, integrieren.
Erste Messergebnisse und Erfahrungen
Die ersten Messungen erfüllen unsere Erwartungen. Nach einigen Testläufen erreichen wir sogar höhere Werte als bisher im Netz gemeldet:
Ein Ping von 18ms und ein Download von 181 Mbit/s ist überraschend gut.
Die nächsten Wochen werden wir nun die Performance mit automatischen Speedtests und Pings sammeln und auf unserem dafür erstellten Dashboard beobachten:
Eine Herausforderung bleiben für Unternehmensnetzwerke noch, dass man keine eigene IPv4 Adresse zugewiesen bekommt, sondern sich eine Adresse mit anderen Starlink Kund:innen teilt, auch NAT gennant. Das erschwert Setups, in denen man Services aus dem Office im Internet verfügbar machen möchte. Hier lässt sich jedoch ein VPN, wie z.B. Tailscale, einrichten, der Verbindungen in das Büronetzwerk erlaubt. Und da inzwischen die meisten unserer Services sowieso in der Cloud laufen, ist das für uns keine gravierende Einschränkung.
Ein Wort zum Stromverbrauch: Dieser scheint sich bei der aktuellen Antennengenaration bei etwa ~108 W einzupendeln. Kein Problem für unser Bürointernet, allerdings schließt das derzeit noch eine "always on" mobile Nutzung, z.B. im Camper, aus. Darüber hinaus ist Starlink derzeit noch an die Service Area bzw. an eine Zelle mit einem Umkreis von 22km gebunden, an der das Gerät angemeldet ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Einschränkung in Zukunft aufgehoben wird, da es technisch gesehen keinen Grund dafür gibt.
Fazit
Das hier ist also der erste Blogpost von vielen, der bereits einmal die Atmosphäre verlassen hat, bevor er auf unserer Website erscheint.
Die ersten Testergebnisse sind sehr vielversprechend. Das Internet ist nutzbar und erreicht zwischenzeitlich sehr gute Geschwindigkeiten. Lediglich die gelegentlichen Verbindungsabbrüche (teilweise 1x pro Stunde, 1-3 Minuten) machen Starlink noch nicht als vollwertigen Ersatz bei uns nutzbar. Da aber bisher "nur" ca. 1.300 Satelliten der geplanten 42.000 bereit stehen, können wir davon ausgehen, dass es diese Abbrüche bald nicht mehr geben wird. Mit Kosten von 99€ im Monat und 560€ einmalig ist diese Option außerdem günstiger als unsere Glasfaser-Option.
Und wer weiß, vielleicht kommen die Tage, an denen in meiner Telefonhistorie nicht mehr wöchentlich die Vodafone Hotline gelistet ist. Starlink lässt zumindest darauf hoffen…
Hast du noch Fragen zu Starlink oder möchtest du wissen, wie sich Starlink bei uns in den nächsten Wochen schlägt? Dann schicke uns gerne jederzeit eine Nachricht.
Bist du wie wir an neuen Technologien interessiert?
Wir bei Zweitag suchen immer nach neugierigen Menschen, mit denen wir etwas richtig Cooles auf die Beine stellen können. Wir haben Spaß am gemeinsamen Ausdenken, Ausprobieren, Umsetzen, Optimieren oder Verwerfen und daraus Lernen.
Wenn du Cloud-, Netzwerk- oder Ops-erfahren bist und Lust hast, in einem Umfeld mit Spaß an der Sache an unterschiedlichsten Projekten zu arbeiten, schau doch mal auf unserer Karriereseite vorbei. Unsere Infrastruktur-Entwickler:in (DevOps) Ausschreibung könnte zum Beispiel interessant sein.