Politisch, fordernd, inspirierend – 35C3
Als User Experience Designer sehen wir uns in der Verantwortung, die Interessen von Nutzern, Unternehmen und Software-Entwicklern unter einen Hut zu bringen.
Es wird immer wichtiger, Software-Produkte unter der Berücksichtigung von ethischen, gesellschaftlichen und politischen Aspekten zu entwickeln.
Dabei sind Nutzerdaten Fluch und Segen zugleich.
Auf der einen Seite helfen sie uns, Produkte zu verbessern, indem wir Erkenntnisse auf Basis von realen Daten generieren können – auf der anderen Seite können sie zur Manipulation von Meinungen missbraucht werden.
Der Chaos Communication Congress bietet eine wunderbare Plattform, um in den Diskurs zu gehen.
Er hilft uns dabei, verschiedene Sichtweisen zu verstehen und in unsere tägliche Arbeit einfließen zu lassen. Zunächst versuchen wir einen Eindruck von den unzähligen kleinen Schauplätzen, Entdeckungen und Möglichkeiten, die man abseits der Talks erleben darf, zu geben. Danach stellen wir einige der interessantesten Talks vor.
Experimentierfreude und Kunst
Zwischen den interessanten Vorträgen war jedes Mal etwas Zeit, um sich dem experimentellen Teil des Kongresses zu widmen. Während in der Exhibition Hall 2 das “Hacken” zelebriert und effektvoll zur Schau gestellt wurde, verirrte man sich woanders in einem Dschungel aus Kabeln und DIY-Gadgets.
Es roch nach Lötzinn, LEDs leuchteten um die Wette und überall erlebte man die pure Faszination für Technik. In jeder Ecke wurden Grenzen ausgereizt und neue Sinnzusammenhänge geschaffen. Darüber hinaus luden diverse Workshops die Besucher dazu ein, sich aktiv und auf spielerische Weise technischen Themen zu nähern.
Christian von nerdanziehung hat das Miteinander beim 35C3 sehr treffend beschrieben:
"Ich mag den Congress weil hier 4 Tage lang Menschen miteinander umgehen wie ich mir das allgemein in unserer Gesellschaft wünschen würde. Man behandelt andere wie man selbst behandelt werden möchte, man tritt eher einen Schritt zurück als auf seiner Meinung zu beharren und das Wohl des anderen ist einem genauso wichtig wie das eigene. Als kleinsten gemeinsamen Nenner ist man sich über grundlegende Dinge wie Menschenrechte einig und lehnt gruppenbezogene Diskriminierung ab"
— Christian Klein – nerdanziehung
Microtargeting und Manipulation
Der Vortrag “Microtargeting und Manipulation” von [Ingo Dachwitz](https://twitter.com/roofjoke?lang=de) und [Constanze Kurz](https://netzpolitik.org/author/constanze/) thematisiert die Methoden und Risiken von gezielter Nutzer-Manipulation. Zur Veranschaulichung ihrer Thesen orientieren sich Dachwitz und Kurz dabei an politischer Ereignissen aus den letzten Jahre. Auch hier spielt die Profilierung von Nutzern eine entscheidende Rolle für gezielte Desinformation, wie im Fall des [Cambridge Analytica Skandals](https://netzpolitik.org/2018/cambridge-analytica-was-wir-ueber-das-groesste-datenleck-in-der-geschichte-von-facebook-wissen/).
"Im Übrigen sind wir der Meinung, dass Facebook und Google zerschlagen werden müssen."
— Constanze Kurz
Die Forderungen der Datenschutz Aktivisten lauten:
- Datenschutz ist Manipulationsschutz
- Kennzeichnungspflicht für politische Werbung
- Umfassendes Transparenzregister für Online-Wahlwerbung
- Parteien in die Pflicht nehmen: Transparenz und Faktentreue
- Verbot von psychometrischem Profiling im politischen Kontext
- Striktes Targeting-Verbot nach sensiblen Kriterien – keine Proxies
- Obergrenze für Wahlwerbung auf digitalen Plattformen
- Marktmacht einzelner Akteure einschränken
- Manipulationsindustrie überwinden
How Facebook tracks you on Android
Zur Aufklärung über die Nebenwirkungen und Risiken der Datenverbreitung wollen auch die Daten-Aktivistin [Frederike Kaltheuner](https://twitter.com/f_kaltheuner?lang=de) und der britische Technologe [Christopher Weatherhead](https://twitter.com/cjfweatherhead?lang=de) beitragen. In ihrem Vortrag “How Facebook tracks you on Android” decken die beiden auf, wie einfach der Internetriese Facebook Apps von Drittanbieter zur Nutzerprofilierung verwendet. Alleine schon das Aktivieren einer Drittanbieter-App wie beispielsweise Spotify, Tripadvisor oder Skyscanner reicht aus, um dem Unternehmen Facebook Einblicke in persönliche Daten zu bieten – egal, ob man einen Facebook-Account besitzt oder nicht.
Schutz vor Desinformation und Fake News
Welche Methoden man zur Aufdeckung von Desinformation und FakeNews nutzen kann, zeigt Robert Clausen in seinem Vortrag “Desinformation und Fake News - Bekämpfung und Verifizierung leicht gemacht”.
"Egal welche vorgefertigte Meinung man hat, man wird mit dieser Meinung beliefert."
— Robert Clausen
Folgende Tools und Websites können Nutzern helfen verfälschte Medien zu entlarven:
- verificationhandbook.com
- osintframework.com
- suncalc.org
- invid-project.eu
- wikimapia.org
- citizenevidence.amnestyusa.org
- camopedia.org
- logos.iti.gr
- geolocatethis.site
Fazit
Der Besuch des Chaos Commmunication Congress 2018 hat uns in der Meinung bestärkt, wie wichtig es ist heute und auch in Zukunft Technik im gesellschaftlichen, politischen und nutzerzentrierten Kontext zu betrachten. Vielen Dank 35C3 für die rundum gelungene Veranstaltung, die tollen Talks und die inspirierenden Projekte.