Programmieren für Kids im CoderDojo Münster
Was ist ein CoderDojo?
Die digitale Revolution unserer Arbeitswelt sorgt nicht nur für einen wachsenden Bedarf an Softwareentwicklern und ausgewiesenen IT-Spezialisten. In den allermeisten Berufsfeldern sind mittlerweile immer umfangreichere technische Fähigkeiten zur Grundvoraussetzung geworden. Kein Wunder also, dass die Rufe nach möglichst früher informatischer Bildung immer lauter werden.
Dieser Herausforderung stellen sich nicht nur die schulischen Bildungssysteme weltweit, sondern auch eine wachsende Zahl privater Organisationen. Die CoderDojo Foundation ist eine solche gemeinnützige Organisation — ein loser Verbund von weltweit über 2000 lokalen, ehrenamtlichen Gruppen, die in ihren jeweiligen Heimatorten Programmier-Events für Kinder und Jugendliche veranstalten.
Das Konzept dieser Events ist, Kindern eine Umgebung anzubieten, in der sie sich eigene Projekte und Herausforderungen suchen und diese mit Hilfe freiwilliger Mentorinnen und Mentoren umsetzen. Die Grundidee ist damit ähnlich zu den Zweitag Hack Teams: selbst gesteckte Ziele sorgen unmittelbar für subjektive Relevanz und somit für Motivation.
Der wesentliche Unterschied zum klassischen Informatikunterricht in der Schule ist der Luxus, kein formales Lernziel verfolgen zu müssen. Ein Modus, der nicht nur den Kindern Spaß macht, sondern auch uns Mentoren immer wieder ins Staunen versetzt, wenn wir am Ende eines Tages die Ergebnisse von nur wenigen Stunden Arbeit unserer “Ninjas” betrachten.
Unsere Ziele
Das offensichtliche Ziel der CoderDojos ist es, Interesse und Begeisterung für das Thema Programmierung zu wecken.
Ein weiteres wichtiges Anliegen ist zudem der Abbau von Vorurteilen, die das Thema Programmieren seit Jahrzehnten prägen und die — obwohl längst überholt — immer noch hartnäckig die allgemeine Diskussion beherrschen.
So ist Programmierung heute viel mehr als eine spezielle Nischenfähigkeit, um mathematische Probleme zu lösen. Vielmehr ist sie eine Kulturtechnik geworden, die neue Wege öffnet, sich kreativ auszudrücken. Auch das Bild des einsamen “Nerds”, der allein im Keller “das nächste Google” baut, könnte kaum unrealistischer sein. Software-Entwicklung ist ein extrem kommunikativer Prozess und funktioniert nur in Zusammenarbeit von Menschen mit unterschiedlichen Stärken und Fähigkeiten. Nicht nur aus diesem Grund profitiert das Feld davon, sich von seiner bislang männlich dominierten Perspektive zu lösen — ein Prozess, der sicherlich noch einen langen Weg zu gehen hat.
Die Arbeit mit den Kindern bietet hier hervorragende Ansatzpunkte, ein solch verzerrtes Bild gar nicht erst entstehen zu lassen. Je jünger man startet, desto weniger haben sich die Geschlechter-Klischees schon verfestigt und desto einfacher ist es, auch Mädchen für das Thema zu begeistern. Das offene Format der Dojos erlaubt spontane Kollaboration: Kinder werden ermutigt, sich gegenseitig zu helfen, bilden Ad-Hoc-Teams und stellen am Ende eines Veranstaltungstages stolz gemeinsam die Ergebnisse der gesamten Runde vor.
So werden — ganz nebenbei — essentielle Soft-Skills geschult, vollkommen zwanglos und natürlich. War die Teilnahme der begleitenden Eltern anfangs eher eine pragmatische Überlegung, so hat sie sich als sehr hilfreich herausgestellt, um die Sinnhaftigkeit und die Potenziale der Inhalte zu transportieren. Unsere Hoffnung ist, so dafür zu sorgen, dass die Kinder ihre Projekte auch zu Hause mit der Unterstützung ihrer Eltern weiterentwickeln können.
Der Aufbau des CoderDojo Münster
Trotz der äußerst lebendigen digitalen Szene in Münster gab es noch überraschend wenig Angebote, die sich unmittelbar an jüngere Kinder richteten. Mit einer Handvoll Zweitag-Kollegen wurde deshalb Ende Mai das Hack Team “CoderDojo” geboren mit dem Ziel, im Herbst nach den Sommerferien das erste CoderDojo-Event in Münster anzubieten.
Mit unserer Festlegung auf die Altersgruppe der Acht- bis Zwölfjährigen sind wir bewußt von der Empfehlung der Foundation (7 - 17) abgewichen. Einerseits weil wir dort den größten Bedarf gesehen haben, andererseits um das Themenspektrum für die ersten Veranstaltungen nicht zu weit spannen zu müssen.
Relativ früh im Findungsprozess haben wir Kontakt mit dem TechLabs e. V. aufgenommen. Dort ist unsere Idee direkt auf viel Zustimmung gestoßen und einige Vereinsmitglieder haben sich unmittelbar bereit erklärt, bei der Organisation oder als Mentor*in zu unterstützen. Mit dem Verein hatte das Dojo dann ein organisatorisches Dach und mit dem HIVE als Veranstaltungsort auch ein physisches.
Zur inhaltlichen Gestaltung haben wir uns pädagogischen Rat bei der Uni Münster gesucht. In einem Gespräch hat Alexander Best vom Projekt “Informatik in der Grundschule” wertvolle Tipps und Einschätzungen mit uns geteilt, die wir in die Vorbereitung einfließen lassen konnten. Joschi Kuphal, Gründer und Vorsitzender vom CoderDojo Nürnberg konnte uns mit Erfahrungen aus fast 30 durchgeführten Events unterstützen.
Die Vorbereitungen resultierten im ersten Event am 22.09. für das wir über verschiedene Offline-Kanäle (Flyer, Poster, Kurzvorstellung in einer Grundschule) und Online-Medien (bspw. die eigens geschaffene Homepage) zur Teilnahme geworben haben. Beim Event selbst starten wir nach einer kurzen Begrüßung und Vorstellungsrunde und einem kleinen Aufwärmspiel direkt in die freie Projektentwicklung. Hier legen die Kinder dann unmittelbar mit ihren eigenen Projektideen los.
Grundsätzlich machen wir keine festen Vorgaben, womit gearbeitet werden darf. Auch mitgebrachte Gadgets (wie bspw. LEGO Roboter) können im Dojo eingesetzt werden. Aber natürlich haben wir gerade für neue Teilnehmer, die noch Orientierung brauchen, Ideen und Anregungen im Gepäck und mit Scratch und Calliope mini auch kindgerechte Plattformen.
Erste Schritte mit Scratch
Als unser beliebtestes Lernmittel hat sich unmittelbar die Programmiersprache Scratch 3 des MIT Media Lab etabliert. Die visuelle Programmiersprache basiert auf grafischen Blöcken, aus denen Skripte puzzle-artig zusammengebaut werden können. Mit Hilfe dieser Skripte können die Kinder zweidimensionalen Figuren Verhalten geben. Die Figuren werden auf einer Zeichenfläche (der “Bühne”) platziert.
Der Einstieg ist dabei sehr einfach, schon nach wenigen Minuten haben die Kids ihren Figuren die ersten Bewegungen beigebracht, oder deren Aussehen verändert. Durch das direkte Feedback wird das explorative Lernen bestmöglich unterstützt — jede Manipulation an den Programmen kann unmittelbar ausprobiert werden. Den Kindern noch unbekannte Anweisungblöcke werden experimentell erschlossen.
Die Möglichkeiten der Sprache sind extrem umfangreich und lassen sehr viel Raum für Entwicklung. So sind neben grundlegenden algorithmischen Konzepten wie Schleifen, Bedingungen, Variablen und logischen Operationen auch durchaus anspruchsvollere Konzepte wie die Definition eigener Funktionen, Events oder die Nebenläufigkeit von Prozessen abbildbar.
In den Ergebnissen unserer Ninjas spiegeln sich die vielfältigen Möglichkeiten von Scratch wieder. Es entstehen selbstlaufende Animationen, erstaunlich umfangreiche Spiele und digitale Kunstwerke. Wer möchte, kann die Früchte seiner Arbeit veröffentlichen und in unserem Scratch Studio teilen.
Der Calliope Mini als Experimentierplattform
Mit dem Calliope Mini bieten wir den Kindern eine weitere Plattform an, um spannende Projektideen zu entwickeln. Auch hier liegen mit MakeCode oder NEPO block-basierte Programmierumgebungen zu Grunde. Anders als Scratch bietet der Einplatinen-Computer mit seinen Sensoren und Aktoren die Möglichkeit, eine Brücke zwischen digitalen Anweisungen und der physikalischen Welt zu schlagen.
Das kleine Multitalent hat Sensoren für Temperatur, Beschleunigung, Lichtintensität, einen Kompass, integrierte Buttons und berührungsempfindliche Kontakte. Für die Ausgabe stehen eine 5x5 LED-Matrix, eine RGB-Leuchtdiode und ein Piezo-Lautsprecher zur Verfügung. Über die integrierten Grove-Konnektoren sind weitere Elemente wie 7-Segment-Anzeigen oder Ultraschall-Sensoren anschließbar.
Durch die Notwendigkeit, die Programme aus den Editoren herunterzuladen und per USB-Kabel auf die Geräte zu überspielen, ist der Feedback-Loop im Vergleich zu Scratch etwas langsamer und gerade die jüngeren Kinder brauchen eine intensivere Unterstützung um am Ball zu bleiben.
Dafür erlaubt der Calliope Mini wirklich greifbare Ergebnisse, die mit einer reinen Software-Plattform wie Scratch nicht möglich sind. So konnten die Kinder beispielsweise mit Hilfe von Kupfertape, ein paar Kabeln und zwei Calliopes ein kleines Keyboard bauen, auf welchem in der Präsentationsrunde Melodien gespielt werden konnten.
CoderDojo Münster - ein Ausblick
Im Rahmen der bisher drei Veranstaltungen in 2019 hat sich gezeigt, dass das Konzept CoderDojo auch in Münster funktioniert und es durchaus einen Bedarf für solche Bildungsangebote gibt. Im Lauf des ersten halben Jahres konnten viele zusätzliche Mentorinnen und Mentoren gewonnen werden, mit denen sich das CoderDojo im kommenden Jahr neuen Herausforderungen stellen kann. Mögliche Schwerpunkte könnten dabei sein, Mädchen noch stärker zu fördern und gezielt für die Teilnahme zu akquirieren (aktuell ist das Verhältnis ca. 1:3) oder gezielt Familien mit erschwertem Zugang zu Bildungsangeboten zu fördern. Auch die Erweiterung der Altersgruppe oder die Erhöhung der Veranstaltungsfrequenz sind mögliche Richtungen.