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Digital Business

Digitale Leute Summit 2018 Retrospektive

7
Minuten Lesezeit
Blog Post - Digitale Leute Summit 2018 Retrospektive
Christian Peters

Die Interviews gibt es nicht nur im Magazin-Format, sondern seit einiger Zeit auch als Meetups in Köln und Düsseldorf so wie auch als Podcasts. Diese Woche fand mit dem Digitale Leute Summit 2018 nun die erste Konferenz Digitaler Leute statt. Die echten Insights blieben mangels inhaltlicher Tiefe in manchen Sessions aus, aber zur Kritik später.

Deutsche Leute Summit 2018 Balloni Hall

Digitale Leute Summit 2018 – The Good Parts

Enterprise-Produktentwicklung ohne Roadmaps

Brian Dammeir ist als Head of Product bei der großen Payment-Plattform Adyen aktiv, die Payment für eBay, Spotify und foodora macht. Er sieht sich dabei in einer Doppelrolle: Das Produkt zu entwickeln heißt auch Sales zu machen und anders herum. Er hat dieses Jahr schon über 100 Flüge hinter sich, um intensive Kundengespräche zu führen. In Vorbereitung auf einen Termin findet er heraus, welche Themen den Kunden gerade umtreiben und wie er seine Payment-Lösung darauf beziehen kann. Er nimmt sich ein Mindestziel vor, auf das er das Gespräch immer zurückführt, um möglichst nie ergebnislos zu bleiben.

"Our yearly roadmaps are thrown out of the window the day they're made"
— Brian Dammeir

Einmal im Jahr veranstaltet Adyen ein Offsite, bei dem 80 Produktentwickler unterschiedlichen Fachs ihre Projektideen pitchen und diskutieren. Daraus kommt zwar ein Jahres-Fahrplan; dieser ist aber eben nicht bindend. Brian meint, im B2C-Markt mag es sinnvoll sein, eine aus Forschungsergebnissen resultierende Roadmap festzuzurren und dann durchzuziehen. Aber gerade mit Enterprise-Kunden muss man sehr agil sein, um die speziellen Bedürfnisse der Großen unkompliziert zu erfüllen und daraus Features zu bauen, die für die größten 12 Kunden passen.

Smiling – And Screaming Inside

Brian und Peter Sunna, Head of Product bei contentful nehmen dabei auch Entrepreneuren die Angst des Scheiterns:

"Sometimes, you fail so often that you think: Do I make anything right at all?"
Peter Sunna

Ein Venture sei wie ein wilder Ritt auf einer Rakete zu sehen: Wenn man mitten im Launch ist, hat man keinen Überblick, alles fühlt sich nach Chaos an, Alarmleuchten warnen die ganze Zeit vor dem Absturz. Dabei darf man sich nicht von den permanenten Rückschlägen einschüchtern lassen, sondern muss wertschätzen, wie viel man daraus lernt. Durch die Erkenntnisse verbessert man sich und bringt das Produkt voran – und darauf kommt es an.

Probleme werden immer anfallen. Die Kunst dabei ist, 80% seiner Energie ins Vorankommen zu stecken und sich gesunde 20% damit zu beschäftigen, Probleme aus dem Weg zu räumen. "They creep up to 50% or more if you don't."

Lateral Leadership und Empathie

Brian und Peter haben in ihrem inhaltsreichen Panel auch schon das große Thema von Tim Herbig eingeleitet:

"I am not looking for people who are able to make decisions, I am looking for people who are able to faciliate a discussion"
— Brian Dammeir

Ich war schon immer irritiert, wenn Entwickler mich in meiner Rolle als Projektmanager (wir nennen es heute Produktarchitekt) nach einer "Executive Decision" zu einer Sache gefragt haben. Für mich galt immer der Imperativ der Sachlage – dass man also ungeachtet hierarchischer Beziehungen eine Entscheidung herbeiführt, die nach bestem Wissen und Gewissen der Beteiligten entsteht, wobei Erfahrung wie auch Bedenken respektiert und im Team reflektiert werden.

Tim Herbig zu Lateral Leadershim beim Digitale Leute Summit 2018

Lateral Leadership beschreibt, wie Entscheidungsfindung in selbstorganisierten Teams ohne Autorität funktionieren sollte. Es wird vor allem als Aufgabe des Produktmanagers betrachtet, das Team strategisch zu alignen und Entscheidungen im Team und auf Augenhöhe herbeizuführen. Der Produktmanager soll dabei eine aktive Rolle einnehmen, und sich nicht bloß als Diener des Teams in den Hintergrund stellen.

"Obwohl das Agile Manifesto zuallererst individuals over processes stellt, rennen agile Teams zumeist der Sprint-Prozessmühle hinterher und die empathische Konsensfindung bleibt auf der Strecke."
— Brian Dammeir

Wer das Thema spannend findet, mag sich dazu auh Tim Herbigs Buch zu Lateral Leadership anschauen oder sein Hörbuch auf Audible laden.

Die Konkurrenz im anderen Medium sehen

"Our biggest competitor at Shopify is Netflix: What to do in the evening? Setting up a shop or binge-watching House of Cards?"
— Chris Long

Manche Speaker arbeiten in erfolgreichen Unternehmen, welche sich einsam an der Spitze ihres Segments fühlen könnten. Doch den Wettbewerb für die Aufmerksamkeit der Kunden gibt es immer.

"Our biggest competitor for online information is Youtube."
— Dominique Willieme

Arte-CDO Dominique Willieme überzeugt das Publikum mit dem Shift von einem TV-Sender mit Website zu einer digitalen Medienplattform mit einem TV-Sender.

Weitere Highlights im Schnelldurchlauf

Bei Zweitag kennt jeder Software Engineer das DRY-Prinzip für wartbaren Code: DRY – Don't Repeat Yourself. Auf die Frage hin, wie man denn am besten in sein Produkt neue Features einführt, antwortete Chris Long mit CRY – Constantly Repeat Yourself!

Produkt-Newsletter hält Chris für einen Fehler: Man sollte die Aufmerksamkeit immer nur auf eine Sache richten. Zudem muss man bei einer Ankündigung per E-Mail auch die Opportunitäskosten betrachten: Was könnte man sonst mit der Aufmerksamkeit des Nutzers anstellen? Chris rät daher dazu, individuell alle möglichen Touchpoints durchzugehen und zu überlegen, wie man die Ankündigung sinnvoll einbauen kann – insbesondere ins User Interface selbst.

"We developed products up-market from when someone is looking to sell something online, we thought... before you want to sell something online.... you develop a logo / domain / brand so we expanded into those areas."
— Chris Long

Der Talk mit Katrin Dreyer von Zalando soll wohl sehr eindrucksvoll gewesen sein. Mein Sitznachbar im Folgevortrag meinte ehrfürchtig, er würde ihr gerne mal einen Tag über die Schulter schauen, wie sie Feuerwehr im Zalando-Ungetüm spielt. Ich dachte an eine weibliche Version von Mr. Wolf aus Pulp Fiction – aber ich tu ihr damit sicherlich auf mehreren Ebenen Unrecht und verweise besser auf den verlinkten Blogbeitrag:

"Nur Leute die es auch ausbaden müssen, sollten am Entscheidungsprozess beteiligt sein."
— Katrin Elise Dreyer

Digitale Leute Summit 2018 – The Could Be A Bit Better Next Time Parts

Auf so manchen Konferenzen sind die Panel-Diskussionen nach ausgiebigen Folienschlachten und durchexerzierten Vorträgen die reine Freude. Das Interview-Format des Online-Mediums bei dem Digitale Leute Summit komplett durchzuziehen ist da ein konsequenter und interessanter Schritt. Leider entwickelten sich nicht alle Sessions zu spannenden Gesprächen.

"Fireside Chats statt Vorträge ist bisschen so wie bei eBay die Original Verpackung zu verkaufen."
— @florianbailey

Die inhaltliche Tiefe, die man sonst aus Podcasts gewohnt ist, hat an der ein oder anderen Stelle einfach gefehlt. Das DL-Team wird sich sicherlich vornehmen, beim nächsten Summit noch mehr Schwung in die Kiste zu bekommen.

Fragen, die mehr aus der Reserve locken; Panel-Diskussionen mit konträren Standpunkten; mehr Typen, die anecken; Barcamp-Elemente… da hat niemand ein Patentrezept.

Die unterdimensionierten Neben-Stages sind sicherlich auch ein Kompromiss in der Wahl der Location gewesen. Bei unserem Hack-on-a-Boatathon kam auch Kritik auf, dass man sich zeitweise zu beengt gefühlt hat. Auch digitale Leute brauchen Luft zum Atmen. 😅

Aber sehen wir es als das was es ist: Eine frisch gelaunchte Version 1.0 eines Produkts mit vielen Begeisterungselementen, mit dem noch weiter experimentiert werden muss, um den perfekten Problem/Solution Fit zu erreichen.

Digitale Leute Summit 2018 – The Best Parts

Wirklich großartig war die Mischung der Menschen, der digitalen Leute, die der Summit angezogen hat. Ich konnte viele spannende Gespräche mit interessanten Persönlichkeiten führen, die ähnliche Herausforderungen bewältigen müssen – sei es in der Produktgestaltung, Mitarbeiterführung, Softwareentwicklung, User Experience, Unternehmens(re)organisation oder Sales. Sympathische Zeitgenossen, die nach 12 Jahren im gleichen Job immer noch begeistert dabei sind oder gerade alles hinter sich gelassen haben, um ins freiberufliche Abenteuer zu starten oder ein Startup auf die Beine zu stellen.

Eins hat die Version 1.0 auf jeden Fall bewiesen: die richtige Zielgruppe ist gefunden! Das beflügelt auch das gesamte DL-Projekt. Der Summit – wie sicherlich auch die Meetups – zeigen, dass Digitale Leute ein wertvolles Bindeglied in NRWs Digitalbranche darstellen kann. Ich bin auf jeden Fall bei nächster Gelegenheit wieder dabei!

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