Breitband-Ausbau in Deutschland: Wie steht es mit dem »Netz der Zukunft«?
Schnelles Internet hat für Unternehmen eine hohe Bedeutung
Schnelles Internet ist in unserer digitalen Gesellschaft von immenser Bedeutung, nicht nur für Privathaushalte. Der Arbeitsalltag aller Unternehmen ist digital und wird in Zukunft noch digitaler werden. Internetzugang ist längst nicht mehr nur für E-Mails wichtig.
"Digitale Geschäftsmodelle basieren auf der Verfügbarkeit von schnellem Internet."
Ganze Geschäftsmodelle basieren mittlerweile auf der Verfügbarkeit von schnellem Internet, das eine Datenverarbeitung in Echtzeit ermöglicht. Wenn wir über die Realisierung technologischer Trends sprechen, werden wir in Zukunft deutlich mehr Datenmengen über das Internet versenden, als wir es heute tun: Sei es für Anwendungen im Bereich Augmented Reality (AR) oder Virtual Reality (VR), Big Data, künstlicher Intelligenz (KI) oder digital Health und Telemedizin.
»Offline first« im 21. Jahrhundert – wirklich jetzt?!
Auch in unserem Tagesgeschäft sollte die Verfügbarkeit von ausreichend schnellem Internet ein Hygienefaktor sein – ist es aber nicht. Eine lange Leidensgeschichte mit Internetdienstleistern hat uns letztlich dazu gebracht, hoffnungsvoll gen Himmel zu blicken, um unser Firmennetzwerk mit Internet aus dem All zu betreiben. Auch für unsere Partner und Kunden ist verfügbares und schnelles Internet wichtig: Es wird benötigt, um beispielsweise Cloud-Software zu betreiben, Daten aus Baumaschinen in ein Web-Portal zu übermitteln oder den Vertrieb von Saatgut zu digitalisieren.
Im Falle des Saatgut-Vertriebs mussten wir sogar mit dem »mobile first« Gedanken brechen. Aufgrund schlechter Netzverfügbarkeit mussten wir eine spezielle Synchronisierung entwickeln. Bei fehlendem Netz werden Bestellungen offline gesichert und bei wiederhergestellter Verbindung gesendet. Wir sprechen also statt von »digital first« von »offline first« – und das im 21. Jahrhundert. Wow!
Über irdische Technik und Internet aus dem All. Jetzt Starlink-Artikel lesen
"Ein Dorf ohne Netz, das darf es eigentlich nicht geben."
― Andreas Scheuer, CSU
2018 hieß es noch »ein Dorf ohne Netz, das darf es eigentlich nicht geben« (Andreas Scheuer). Im Koalitionsvertrag 2018 liest es sich so: »Glasfaser in jeder Region und jeder Gemeinde, möglichst direkt bis zum Haus«. In diesem Jahr wurde mit dem neuen Telekommunikationsgesetz der Bundesregierung den Bürger:innen ein Recht auf schnelles Internet versprochen. Wer also in Regionen mit keinem oder nur langsamen Internet unterwegs ist, soll sich ab Mitte nächsten Jahres bei der Bundesnetzagentur beschweren können. Ein Schritt in die richtige Richtung. Wie schnell aber »schnelles Internet« sein muss, kann die Bundesregierung auch nicht sagen. Nach einem »Netz der Zukunft« klingt das ehrlich gesagt noch nicht.
Auszug aus einer Statista-Studie zum Glasfaseranteil in Breitbandanschlüssen. In nur vier OECD-Staaten ist der Anteil der Glasfaseranschlüsse noch geringer als in Deutschland.
Mit Blick auf den europäischen Vergleich steht die deutsche Internet-Infrastruktur nicht besonders gut dar: Laut einer Statista-Studie werden aktuell in Deutschland 4,7% der Breitbandanschlüsse über Glasfaser realisiert. Im OECD-Durchschnitt sind es 29,2%. Europäische Spitzenreiter sind Litauen, Schweden und Lettland. Generell können wir uns von diesem kleinen europäischen Staat in Sachen Digitalisierung und E-Government einiges abschauen.
Auszug aus dem Digitalisierungs-Index 2021: Stadtstaaten können in Sachen Glasfaserversorgung punkten. Überraschen: Baden-Württemberg bildet mit 8,2 Prozent das Schlusslicht.
Die gerade erschienene Studie »Deutschland-Index der Digitalisierung 2021« des Kompetenzzentrums Öffentliche IT zeigt, dass Mitte 2020 mit 93,3% zwar ein Großteil der deutschen Haushalte mit Breitband versorgbar wäre (50 Mbit/s, »altes Breitbandziel«), der Anteil der mit 1.000 Mbit/s versorgbaren Haushalte lediglich bei 55,9% liegt. Der reine Blick auf die Zahlen trügt jedoch mit Blick auf die Karte: Abgehängt sind jene Unternehmen, die ihre Firmensitze nicht in den großen Städten haben. Und das trifft auf einen großen Anteil der deutschen Hidden Champions und mittelständischen Unternehmen zu.
Wie wird sich die Verfügbarkeit des Internets in Zukunft entwickeln?
In einer kürzlich vom ARD-Magazin Kontraste erschienenen Recherche stellte sich heraus, dass die amtierende Bundesregierung ihr selbst gestecktes Ziel nicht erreichen wird. Im Wahljahr 2021 blicken wir daher etwas in die Zukunft und werfen einen Blick in die Wahlprogramme:
Zum jetzigen Zeitpunkt lassen zumindest die Wahlprogramme von SPD, Grünen und FDP auf eine Forcierung des Themas »Netzausbau« hoffen. Die SPD, selbst an der amtierenden Regierung beteiligt, spricht in ihrem Zukunftsprogramm davon, dass “Deutschland [...] 2030 über eine digitale Infrastruktur auf Weltniveau verfügen” soll. Schade, wenn man sein eigenes Ziel als Regierungspartner um fünf Jahre verschieben muss. Die Grünen setzen auf einen Bürokratieabbau, der Hürden im Netzausbau verringern soll, sowie Schadenersatz und Strafen bei nicht verfügbarem schnellen Internet. Im FDP-Wahlprogramm wird die Forderung nach einem Ministerium für Digitale Transformation laut. Und auch Die Linke will die Infrastruktur für alle ausbauen. (Das Wahlprogramm der CDU ist zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels noch nicht veröffentlicht.)
"Schade nur, dass für die Technologien von heute in Deutschland ein »Netz der Zukunft« benötigt wird."
Es bleibt zu hoffen, dass die neue Bundesregierung sich ernsthaft mit dem Thema Digitalisierung und Breitbandausbau beschäftigt, um damit zur Sicherung des Technologiestandorts Deutschland beizutragen. Vom kabellosen Internet und 5G soll an dieser Stelle keine Rede sein. Schließlich sind Unternehmen und die Bevölkerung nicht nur arbeitsbedingt auf schnelles Internet angewiesen. Die Verfügbarkeit von Glasfaseranschlüssen sollte dabei eigentlich längst die Basis sein.
Man kann nur hoffen, dass in dieses Thema endlich Geschwindigkeit kommen wird, damit bald in ländlichen Regionen endlich mal das Internet die Daten schneller transportiert als der Esel...